Eine typisches, und in unserer Regulierungspraxis immer wieder anzutreffendes Phänomen nach Verkehrsunfällen, ist der Meinungswechsel über Nacht. Direkt nach dem Knall, noch am Unfallort waren sich alle Beteiligten über den Hergang einig und die Zusicherung „Sorry, mein Fehler…bringe ich natürlich mit meiner Versicherung wieder in Ordnung… Tut mir wirklich leid…“ wirkte wohltuend beruhigend gegen das Unfalladrenalin. Doch was passiert, wenn Aussage gegen Aussage steht, das erklären wir hier.
Achtung – diese Fehler sollten Sie nicht machen
Für viele Unfallgeschädigte ist die Situation scheinbar klar und sie begehen in gutem Glauben einen oder mehrere der folgenden Fehler:
Keine Polizei…
Wegen des einsichtigen Verhaltens haben Sie auf das Herbeirufen der Polizei verzichtet.
Keine Fotos…
Auch das umfängliche Fotografieren beider Fahrzeuge und der gesamten Situation empfanden Sie bei so einem geständigen und kooperativen Verkehrsteilnehmer als unangemessen.
Keine Zeugen…
Wer schon selbst sagt, dass er einen Fehler gemacht hat, gegen den muss ich doch nicht noch Zeugen sammeln, oder? Passanten ansprechen und nach deren Kontaktdaten für den Fall der Fälle zu fragen kostet oft Überwindung und wird daher gern weggelassen.
Kein Schuldanerkenntnis…
Das Einfordern eines schriftliches Schuldeingeständnis hätten Sie gegenüber dem Pechvogel schon fast als Nötigung empfunden und haben deshalb kollegial darauf verzichtet.
Keine Dash-Cam…
Das Rumfahren mit scharfer Kamera ist nicht jedermanns Sache. Fragen Sie doch einfach mal Alexa, Siri und Cortana…
Meistens sieht der weitere Verlauf dann so aus:
- Unfallgegner meldet sich nicht wie vereinbart zurück
- Unfallgegner ist telefonisch nicht erreichbar, reagiert nicht auf Emails
- Unfallgegner zeigt den Schaden nicht bei seiner Versicherung an
- Auf Ihre eigene Schadensanzeige an die gegnerische Versicherung erhalten Sie von dort die Meldung, dass zuerst Rücksprache mit dem Versicherungsnehmer, ihrem Unfallgegner, genommen werden muss
Nochmal einige Tage, gern auch Wochen später bekommen Sie dann Post:
- entweder von der Versicherung des Unfallgegners:
„…abweichende Unfallschilderung… keine Leistungspflicht erkennbar…“ Meint: Ihr Unfallgegner hat eine Schilderung abgegeben, die nicht zu Ihrer eigenen Darstellung passt und die gegnerische Versicherung sieht daher keinen Grund zur Zahlung an Sie. - oder von einem der 160.000 in Deutschland agierenden Anwälte:
„Sehr geehrte… zeigen wir an dass,… unser Mandant… diesseits vorherrschend… es wird bestritten… höchstvorsorglich… behalten uns vor… hochachtungsvoll….“
Meint: Ich, Anwalt XY, vertrete Ihren Unfallgegner und bevor Sie einen Euro von ihm sehen, müssen Sie erst einmal mein akademisches Schreiben übersetzen lassen.
Das müssen Sie beachten, wenn Sie sich in der Situation – Aussage gegen Aussage – befinden
Wichtig: Sie brauchen professionelle Hilfe!
Die gute Nachricht zuerst. Hier muss guter Rat nicht zwingend teuer sein. Wenn der Nachweis Ihrer Unschuld gelingt, werden alle erforderlichen Dienstleister – beispielsweise faire-Regulierung – am Ende mit der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers abzurechnen sein. Die Idee des § 249 BGB ist – salopp gesagt -, dass Sie am Ende so dastehen, wie 1 Sekunde vor dem Unfall, sprich vollständig wiederhergestellt sind.
Die Schwierigkeit: Bei dünner Beweislage (keine Polizei und/oder keine Zeugen und/oder keine oder wenig Fotos) lassen sich Ihre berechtigten Ansprüche nur mit detailgenauer Regulierungsarbeit für Sie geltend machen.
Neben der geschulten Befragung Ihres Unfallgegners zum Aufdecken von Widersprüchen gibt es noch die meist mühevolle nachträglichen Suche nach Zeugen. Die sozialen Netzwerke bieten heutzutage erstaunliche Verteiler-Reichweiten. Was Sie dabei beachten müssen, um einen echten Zeugen von einem Knallzeugen zu unterscheiden, finden Sie hier.
Eines der wertvollsten Werkzeuge in dieser Situation, ist die sogenannte Plausibilitätsprüfung im Rahmen eines Schadengutachtens.
Ein kompetenter KFZ-Sachverständiger kann aus den Beschädigungen an Ihrem Fahrzeug wertvolle Hinweise auf den tatsächlichen Unfallhergang für Sie herleiten. Umgekehrt kann er unplausible Schilderungen Ihres Unfallgegners entkräften.
Daher gilt für alle Betroffenen die goldene Regel: Nicht reparieren / Spuren beseitigen bevor die in Ihrer Situation extra-wertvollen Beschädigungen und Spuren sauber und ausführlich, am besten durch ein ordentliches Schadensgutachten, dokumentiert sind.
SIE schulden dem von Ihnen beauftragten Gutachter sein Sachverständigenhonorar, welches je nach Schadenshöhe zwischen ca. 400 € bis deutlich über 1.000 € liegen kann. Nur wenn der Nachweis der Schuld des Unfallgegners gelingt, haben Sie die Chance, Ihre tatsächlich angefallenen Gutachtergebühren der generischen Haftpflichtversicherung zur Erstattung auf den Tisch zu legen. Spätestens wenn Ihr Fall streitig wird und vor Gericht geht, wird ein Sachverständiger für Unfallrekonstruktion vom Gericht beauftragt werden. Dessen Kosten wird der Verlierer des Verfahrens am Ende on-top zu tragen haben.
Bei modernen Fahrzeugen eröffnet sich im Eskalationsfall eventuell die Möglichkeit der Datenauslese aus den beteiligten Fahrzeugen. Ob mit oder ohne Unfalldatenspeicher (UDS), Ermittlungsbehörden haben inzwischen gesetzliche Zugriffsrechte und können neben gefahrenen Geschwindigkeiten selbst die eventuelle Handy-Nutzung als unfallrelevantes Detail offenlegen. Allein kommen Sie allerdings nicht an diese Daten. Sie brauchen dazu ein Ermittlungsverfahren, womit Sie wieder bei der oben bereits erwähnten Notwendigkeit einer professionellen Unterstützung ankommen.
Was sich regelmäßig auch nachträglich lohnt, ist die genaue Besichtigung des Unfallortes. Nicht selten finden sich doch noch Bremsspuren, Splitterspuren (Glas und/oder Lack), Kratzspuren und Beschädigungen am Straßenbelag, Bordsteinen und Stadtinventar. Hier gilt nun: Es gibt nicht zu viele Fotos! Halten Sie auf jedes Detail und aus allen Winkeln drauf. Wir suchen uns dann schon das Richtige für Sie raus.
Um aus den wenigen verbliebenen Möglichkeiten nun das Beste für Sie zu machen, empfiehlt sich abschließend dringend die Beauftragung eines professionellen Regulierungsdienstleisters. Sie ahnen es, Sie finden einen auf dieser Webseite… Bis dahin, allzeit gute Fahrt!